Volvo FH 500 X-Track: Captain Kirk im Kies (2024)

Wer wie wir den Volvo FH 500 X-Track in der Kiesgrube steuert, fühlt sich ein klein wenig wie Captain James T. Kirk, Commander des Raumschiffs Enterprise. Nein, Volvo hat weder dem co*ckpit noch den Displays vor dem Fahrer ein neues spaciges Design verpasst, auch das Lenkrad ist ein guter alter Bekannter.

Dennoch gibt es einen kleinen Unterschied zum normalen FH: den etwas knubbelig anmutenden Joystick rechts neben dem Wählhebel für das automatisierte Schaltgetriebe I-Shift. Nicht nur in Sachen Bedienung, auch ästhetisch wirkt der zusätzliche Hebel wie aus einer anderen Welt.

RAN AN DEN HEBEL UND RAUS AUS DEM LOCH

Dafür macht der Knüppel auf den Hügeln im Plieninger Kieswerk Ebenhöh reichlich Spaß. Über ihn befehligt der Fahrer die fast 14.000 Newtonmeter Drehmoment des im Test-Lkw an den Vorderrädern verbauten Radnabenantriebs. Zum Vergleich: Das übers Gaspedal dosierbare Dieselaggregat schickt "nur" 2500 Newtonmeter an die Hinterachse.

Wenig überraschend verlieren die Hinterräder unserer Sattelzugmaschine auf dem steilen, losen Untergrund rasch die Traktion. Für den Test des X-Track haben wir den Meiller-Dreiachskippsattel hinter dem FH leer belassen.

Genau der richtige Zeitpunkt für den Captain-Kirk-Moment: zurücklehnen, X-Track am Armaturenbrett aktivieren, den Joystick mit der rechten Hand umfassen und gefühlvoll nach vorne drücken. Zum Brummen des Diesels mischt sich der spacige Sound des hydrostatischen Radnabenantriebs und der Commander, ähm Fahrer, spürt, wie die Fuhre Traktion unter die Vorderräder bekommt und sich langsam aus ihrer verfahrenen Lage befreit. Rechte Hand wieder ans Volant und weiter als Kapitän der Landstraße.

Wenn der Zusatzantrieb aktiv ist, beaufschlagt eine vom Nebenabtrieb des Diesels angetriebene Hochdruckpumpe den Radnabenmotor mit Öldruck.

Lichtgeschwindigkeit indes erreicht der Zusatzantrieb im Volvo nicht. Bei 20 Kilometern pro Stunde ist Schluss und der Diesel sorgt alleine für Vortrieb. Das können andere, zum Beispiel die Schwestermarke Renault mit dem Opti-Track (25 km/h), schneller.

Volvo und die anderen Hersteller verkaufen ihre Radnabenantriebe nicht als Allradersatz, sondern als Anfahrhilfe und da genügen uns die 20 km/h als Höchtsgeschwindigkeit völlig.

Dafür kann der FH langsam besonders gut. Im sogenannten Creep-Modus hat der Fahrer die Möglichkeit, bis 10 km/h das Fahrzeug ausschließlich hydrostatisch angetrieben zu bewegen. Und das über den Joystick sehr feinfühlig dosiert. Dieser Kriech-Modus leistet nicht nur beim Freikommen, sondern auch beim Rangieren gute Dienste.

MIT DEM FINGER SPIELEND DIE RICHTUNG VORGEBEN

Eine andere Finesse des Systems ist ein Mengenteiler. Er wirkt über eine variable Mengenverteilung wie eine Differenzialsperre und sorgt für zusätzlichen Grip.

Anders als bei der Schwester Renault mit dem OptiTrack (siehe TRUCKER 10/2017) handelt es sich beim X-Track von Volvo nicht um eine werkseitige Lösung. Volvo kauft das System bei Terberg zu und verbaut es nachträglich am Lkw. Darin sehen die Schweden den Vorteil, dass sich die benötigten Komponenten, allen voran Ölkühler und Öltank, flexibler am Fahrzeug platzieren lassen.

Wer befürchtet, die von einem zusätzlichen Elektromotor unterstützte Servolenkung Dynamic Steering wäre auf dem losen Untergrund einer Kiesgrube oder Baustelle zu weich oder zu indirekt, dem sei gesagt: Dem ist nicht so. Die Lenkung arbeitet präzise und der Commander kann den Zug mit zwei Fingern spielend dorthin steuern, wo er ihn haben möchte - auch abseits der Straße.

Für die Runde ins Münchener Umland macht der Radlader mit ein paar Tonnen Kies aus unserem Raumschiff Enterprise einen Transport-Gleiter.

SCHNELLES GETRIEBE ERLAUBT FLÜSSIGES FAHREN

Captain Kirk und sein hydrostatischer Antrieb haben jetzt Pause, jetzt müssen die 500-Diesel-PS zeigen, ob sie wirklich zum Gleiten taugen. Mit den rund 40 Tonnen und dem leicht hügeligen Münchener Umland hat der 12,8 Liter große Reihensechszylinder keine nennenswerten Probleme.

Auch ohne die Hilfe einer zweiten Kupplung hat I-Shift gewohnt schnell und weich den zur Verkehrssituation passenden Gang parat. Zusammen mit der elektrischen Lenkung und dem luftgefedert gelagerten Fahrerhaus entsteht in der Tat eher das entspannte Fahrgefühl eines Raumgleiters als das eines Raubeins vom Bau. SV

So funktioniert X-Track

Die vorwärts wie rückwärts funktionierende, hydraulisch zuschaltbare Anfahrhilfe X-Track liefert Terberg an Volvo. Im Vergleich zum klassischen Allrad soll das System 600 Kilo Gewicht sparen. X-Track ist für die Baureihen FM(X) und FH vom Zwei- bis zum Fünfachser verfügbar. Der Antrieb erreicht eine Geschwindigkeit von 20 Kilometern pro Stunde. 10 km/h schafft er ohne Hilfe des Dieselmotors. Dazu leisten die Radnabenmotoren 82 Kilowatt und liefern ein Drehmoment von 13.800 Newtonmetern. Alle benötigten Komponenten bringen zusammen 536 Kilo auf die Waage. Kompatibel ist X-Track mit den Motoren D11, D13 und D16 sowie den Getrieben I-Shift, I-Shift Dual-Clutch und Powertronik. Öltank und Ölkühler lassen sich links und rechts am Rahmen oder hinter dem Fahrerhaus montieren.

FAZIT

Cooles Gimmick

Der Joystick, mit dem sich der Radnabenantrieb steuern lässt, ist ein nettes Gimmick. Die Modelle der Konkurrenz beweisen, man braucht ihn nicht wirklich. Wenn er aber da ist, möchte man ihn beim Rangieren oder beim Anfahren nach dem Abladen auf der Baustelle nicht mehr missen.

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